Zum ersten Mal seit dem Bekanntwerden der Straftat des Bürgermeisters nimmt dieser schriftlich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung. Wir haben dieses Schreiben zum Anlass genommen und es einem Faktencheck unterzogen. Im Folgenden stellen wir die Zitate aus dem Schreiben des Bürgermeisters den uns bekannten Fakten gegenüber, so dass sich jeder Bürger sein eigenes Bild von der Situation machen kann.

Zitat:

„Ich bitte um Entschuldigung für die mir zur Last gelegten Fehler und Versäumnisse.“

Fakt:

Es handelt sich nicht „um zur Last gelegte“ Handlungen sondern um bewiesene Tatsachen. Der Bürgermeister ist rechtskräftig wegen Untreue (§ 266 Strafgesetzbuch) zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung und einer Geldstrafe von 15.000 Euro verurteilt worden.
Ferner handelt es sich nicht um „Fehler und Versäumnisse“ sondern um eine Straftat. Ob diese Straftat durch „Fehler und Versäumnisse“ entstanden ist, wird von den Gerichten bei der Beurteilung der Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und spiegelt sich in der Höhe des Strafmaßes wieder. Wir haben eine klare Beurteilung des Strafmaßes, wollen diese aber an dieser Stelle nicht veröffentlichen und die Bewertung jedem Einzelnen überlassen.

Zitat:

„…ich als Bürgermeister kein Geld von der Gemeinde Nieste genommen habe und der Gemeinde Nieste kein finanzieller Schaden entstanden ist.“

Fakt:

Es ist richtig, dass der Bürgermeister die über Jahre nicht gezahlten Steuern und Abgaben sowie die Kosten für das über die Gemeinde geleaste Fahrzeug mit Verzugszinsen gezahlt hat. Dieser finanzielle Ausgleich der nicht geleisteten Zahlungen ist aber in solchen Strafverfahren immer zu leisten. Fakt ist aber auch, dass der Bürgermeister fast ein Jahrzehnt keine Steuern und Abgaben an die Gemeinde gezahlt hat und mindestens über Jahre die von ihm zu tragenden Kosten für das Fahrzeug nicht gezahlt wurden. Er hat somit in diesem Zeitraum der Gemeinde die ihr zustehenden finanziellen Mittel entzogen und einen Nachteil zugefügt. Ohne einen solchen Nachteil wäre eine Verurteilung wegen Untreue nicht möglich gewesen.

Zitat:

„Im vorliegenden Fall hat auch keine Steuerhinterziehung stattgefunden.“

Fakt:

Es ist richtig, dass der Bürgermeister nicht wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist. Allerdings hat er über fast ein Jahrzehnt der Gemeinde die Steuern und Abgaben, die er zu leisten hatte, vorenthalten. Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abgabeordnung) konnte nicht erfolgen, weil im Gegensatz zu den Tatbeständen der Untreue, die Tatbestände der Steuerhinterziehung nicht erfüllt waren.

Zitat:

„Als ich von den mir zur Last gelegten Sachverhalten erfuhr, habe ich, um Klarheit zu erhalten, bei der Staatsanwaltschaft Kassel eine Selbstanzeige erstattet.

Fakt:

Es ist richtig, dass der Bürgermeister eine Selbstanzeige erstattet hat. Dies ist jedoch ein allgemein übliches juristisches Vorgehen, um vor der offiziellen Aufnahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft das Strafmaß positiv zu beeinflussen. Es ist ein unbestreitbarer Fakt, dass die Revision die Tatbestände in ihren Berichten über die Prüfung der Jahresabschlüsse 2014 und 2015 dokumentiert hat. Somit hätte die Kommunalaufsicht spätestens mit der Veröffentlichung dieser Berichte die Staatsanwaltschaft informieren müssen, um sich nicht des Tatbestandes der Vertuschung einer Straftat schuldig zu machen. Hat der Bürgermeister Selbstanzeige erstattet, weil er Klarheit haben wollte oder ist er einer Anzeige durch die Aufsichtsbehörde zuvorgekommen? Hat er aus eigenem Entschluss gehandelt oder wurde ihm die Handlungsweise durch die Kommunalaufsicht nahegelegt?
Ferner ist in den Prüfberichten vermerkt, dass die Belegprüfungen in den Jahren 2014 und 2015 stattgefunden haben. Insofern ist davon auszugehen, dass der Bürgermeister bereits zu diesem Zeitpunkt von den Feststellungen der Revision erfahren haben müsste. Wenn der Bürgermeister offen und transparent mit diesen Vorgängen umgehen will, so muss er sich die Fragen gefallen lassen, warum die Selbstanzeige erst im Jahr 2020 erfolgte, wenn er bereits vorher von den Sachverhalten Kenntnis hatte. Warum hat er weder den Gemeindevorstand noch die Gemeindevertretung von der Selbstanzeige informiert? Warum hat er bei der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 26.01.2021 zum Tagesordnungspunkt 2 „Jahresabschlüsse 2014 und 2015“ nicht aktiv eine Erklärung zu den Vorgängen abgegeben, sondern erst auf die Frage unserer Fraktion zu den Prüfbemerkungen reagiert? Warum hat er in der darauf folgenden Sitzung der Gemeindevertretung am 27.01.2021 zu diesem Tagesordnungspunkt auf den ausführlichen Vortrag unserer Fraktion in keiner Weise reagiert?

Zitat:

„In einer Zeit gesundheitlicher und privater Probleme sind persönliche Dinge zu kurz gekommen, um den ehrenamtlichen Verpflichtungen für die Gemeinde Nieste gerecht zu werden.“

Fakt:

Das ehrenamtliche Engagement des Bürgermeisters ist unbestritten. Allerdings müssen alle anderen Bürger trotz ihres ehrenamtlichen Engagements in der Politik und den Vereinen auch ihre privaten Verpflichtungen erfüllen. Wie jeder Bürger der seinen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinde nicht nachkommen kann, hätte auch der Bürgermeister beim Gemeindevorstand einen Antrag auf Stundung seiner Steuern und Abgaben stellen können. In einer Zeit in der die SPD eine hundertprozentige Mehrheit hatte, wäre die Genehmigung eines solchen Antrags kein Problem gewesen und alles hätte juristisch seine Ordnung gehabt.
Wenn der Bürgermeister vorgibt, dass er durch sein Engagement nicht die Zeit hatte einen Stundungsantrag an den Gemeindevorstand zu stellen, muss er sich die Frage gefallen lassen, woher er die Zeit genommen hat, um eine nicht gerechtfertigte Höhergruppierung von A15 nach A16 zu veranlassen. Dieses Vorgehen ist ebenfalls durch die Prüfberichte belegt.

Zitat:

„Mein Wirken für die noch selbstständige Gemeinde Nieste hatte und hat immer zum Ziel …“

Fakt:

Durch das Wort „noch“ hat der Bürgermeister sein Handeln der letzten Jahre bestätigt. Durch die nicht erfolgte Stellenbesetzung von frei werdenden Stellen in der Verwaltung hat er diese an den Rand ihrer Arbeitsfähigkeit gebracht. Durch die Abgabe von Stellen im Rahmen der Interkommunalen Zusammenarbeit hat dazu beigetragen, dass andere Gemeinden zusätzliche Stellen bekommen haben, aber keine Stelle in Nieste geschaffen wurde. Sein Verhalten gegenüber den Bürgermeistern des Kreises, insbesondere sein Verhalten nach dem Bekanntwerden der Straftat, hat dazu geführt, dass die Gemeinde zurzeit politisch isoliert ist und auf keine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Kreisebene bauen kann. Sollte der Bürgermeister am 30.05.2021 im Amt bestätigt werden, so ist es nur eine Frage der Zeit bis sich das Wort „noch“ in „nicht“ verwandelt.

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